Das Helfersyndrom


4. November 2013

 

Harriet Modler

Die stummen Schreie - wer seine Sinne auf Empfang schaltet, nimmt diese lautlosen Rufe vielerorts wahr. Der ›Hilfe-Bedarf‹ wächst linear mit den Wünschen der Menschen nach Anerkennung. Bleibt sie, die Anerkennung, versagt (im wahrsten Sinne des Wortes), zeigen sich Symptome der Hilflosigkeit, Unzufriedenheit, die unausweichlich zu Ängsten mutieren. Seit meiner Zeit als ehemalige Weltverbesserin, diesen Titel trug ich in meiner jugendlichen Sturm- und Drangzeit, habe ich in vielfältigen Formen geholfen.

 

Vor einigen Jahren beendete ich meine gutmütige Strategie. Mein Herz trage ich trotzdem immer noch bei mir. Ungefragt bot ich einige Male Hilfe an, die willig angenommen wurde. Es handelte sich um ganz unterschiedliche ›Notlagen‹. Keine dieser Geschichten hatte ein Happy End! Bei einigen Beziehungen hatte ich anfangs das Gefühl, dass ich etwas tun musste, also ›eingreifen‹, damit wenigstens etwas Linderung sicht- und fühlbar wird. Falsch! Wenn das eigene Gewissen plagt, dann ›arbeite‹ ich vorzugsweise an genau dieser Aufgabe, als in die Themen anderer Menschen einzugreifen, deren genaue Zusammenhänge ich in den seltensten Fällen wirklich kenne.

 

Meist ist uns nicht das ganze Drama bekannt, deswegen führen blind ambitionierte Hilfeleistungen zu mehr Problemen als vorher! Die Lösung liegt in der Selbsterkenntnis — und nur da! ›Hilfe zur Selbsthilfe‹ ist vielleicht ein Weg. Dieses Angebot höre ich oft! Insoweit dieses frei von der Selbstlosigkeit des Helfenden ist, kann es funktionieren. Allerdings begibt sich der Helfer immer in einen Prozess mit vielen Unbekannten. Wenn er, der Helfer, die Situation von ›außen‹ betrachtet, kann es bestenfalls mit viel gutem Willen fruchten. Der Wille allein, sofern er einspurig ausgerichtet ist, reicht allerdings nicht aus. Für mich selbst ist dieses Thema abgeschlossen! Meine Erfahrungen sammeln sich in der Erkenntnis: Der Hilfebedürftige will im tieferen Sinne keine Hilfe, er möchte nur das jemand zuhört und ihn in seinem Empfinden bestärkt. Mit anderen Worten — er möchte keine Lösung! Und meistens, so absurd es klingt, auch keine Veränderung!

 

Hilfe ist keinesfalls motivierend — weder im beruflichen noch im privaten Kontext! Es gibt zwei Arten von Motivation: die Flucht- und die Zielmotivation. Bei der Fluchtmotivation werden die Ursachen leider vertagt! Bei der Zielmotivation benötigt der ›Sender‹, wie das Wort es bereits definiert, ein ZIEL. Ein Ziel kann nicht einfach so ›übernommen‹ werden. Ein Ziel muss entstehen, wachsen und um alles in der Welt erreicht werden wollen!