Vollkommenheit


19. April 2013

 

Harriet Modler

Mit der Vollkommenheit liegt der Mensch

von Zeit zu Zeit

im Streit — erträgt dabei selten Gelassenheit.

 

Unermüdlich feilt er an seiner Erscheinung,

wichtig ist anderer Leute Meinung,

weitere Vorbilder entnimmt er der einschlägigen Presse,

erfunden sollte werden die ›Best-of-myself-Messe‹.

 

Die vollendeten Kurven der Göttinnen

sind antiker Genuss mit allen Sinnen.

Ihre Konturen schwingen makellos in unserer Erinnerung —

seit dieser Zeit ergötzen wir uns an der bloßen Erscheinung.

Venus oder Aphrodite hätten jede Miss-Wahl gewonnen,

für schillernde Grazien haben Römer und Griechen Kriege begonnen.

 

Anmut lässt Herzen schmerzen,

Haut bonbonfarben strahlen,

Augen anziehend prahlen,

Hände zaghaft gleiten,

den idealen Partner detailgetreu malen, 

uns wortgewaltig offenbaren,

in lustvollen Momenten gefrieren,

in Träumen verlieren — wiegend in einem Meer von Kerzen.

 

Wie echt benehmen wir uns im Gef(l)echt

der Eitelkeiten?

Wir sind das Abbild bodenlos nackter Gefühle,

gefangen in unseren Heiligkeiten

zeitlebens auf Sendung,

zehrende verheißungsvolle Blendung —

befremdlich anziehend die Kühle.

 

Um nicht zu ertrinken,

oder gequält zu versinken,

suchen wir Leitbilder,

verwertbare (Hinweis)Schilder.

 

Was hat sich die Schöpfung gedacht,

als sie den Wahn nach Perfektion hat entfacht?

In sich das Unvollkommene entdecken,

heißt Lebendigkeit wecken.

 

Schönheit erhält durch Kontrast ihr Gewicht,

sie ist relativ,

emotional befangen,

manchmal schlicht,

oft provokativ

auch aufgesetzt — doch erscheint sie fein und rein,

erhebt sich ein Mythos zum Licht.

 

Oberflächen verführen zu Spekulationen,

Interpretationen;

sei jedem seine Sicht gegeben,

die Annahmen zu widerlegen.

 

Das Unvollendete hat jene Macht,

die das Feuer entfacht,

Gegebenes erhebend zu nehmen,

sich hoffnungsvoll nach Metamorphose sehnen.

 

Lohnend ist der Wille,

den Blick zu schärfen.

In der Stille

nehmen wir Nuancen wahr,

die keine Schatten werfen —

das Formvollendete wird augenblicklich klar.

 

Ergeben sich morgen neue Tendenzen,

dann denken wir vielleicht auf anderen Frequenzen.

In des Lebens Sog sich zu begeben,

heißt auf Wellen schweben.

Die Sinuskurve auszuleben,

hilft die Dualität zu verstehen.

 

Ein reifes Bild

wird glorifiziert.

Was Mona Lisa im Schilde führt?

Tief gerührt,

sie unseren Spiegel berührt.

Wahre Ideale entzaubern uns mild,

sie sind weder abstrakt noch zertifiziert!

 

Die Kunst entfaltet Unendlichkeit,

Ekstase gefangen in Zeitlosigkeit,

im Kern übertragbar auf jedes Terrain,

ihr Stern leuchtet ewig — nah und fern!