Werbung, Liebe und Kondome


16. Juni 2013

 

Harriet Modler

Werbung ist des Menschen Natur,

denken wir an die Brautwerbung nur.

Damit hat es also angefangen,

als der Mann um die Gunst der Herzdame musste bangen.

 

Deswegen wird ständig frisch aufgetischt,

damit sich das Ei mit dem Samen vermischt.

Latent sind wir durch alles von Werbung umgeben,

unserem Streben nach Leben wird dadurch Gestalt gegeben.

 

Arteigen ist die Liebe ein sinnliches Werbespiel,

ebenso führt Werbung mit Liebe zuverlässig ans Ziel.

 

Mit fantasievollen Ideen

lassen sich Mensch und Märkte ausspähen.

Eine exakte Navigation

erleichtert den Weg zur Zielperson!

 

Haben sich irgendwann die Liebenden ausgetobt,

wird Begierde neu ausgelobt.

Gefangen im kollektiven Vergessen,

dreht sich mühlenartig immerfort das große ›Fressen‹.

 

Humor in der Werbung ist selten,

weil für jede Zielgruppe andere Gesetze gelten.

Wer sich unberührte Lieben will erschließen,

muss unerlässlich lernen nicht nur artgerecht zu genießen.

 

Animation ist das tägliche Zuckerbrot,

sollte sich jemand wagen zu entsagen, dem die Peitsche droht.

Die Last der Geduld wird einseitig getragen,

Konsumenten haben nicht zu fragen.

 

Werbung hat die Superlative entdeckt,

wir werden am Super-Samstag durch LIDL geweckt.

Gott schuf den 8. Wochentag,

weil Penny den Super-Framstag mag.

Das Super-Wochenende schenkt Netto,

erspart bleibt uns der Brutto-Supermarkt!

 

Die Tagespresse druckt überwiegend raffinierte Anzeigen,

auf Plakaten und Inseraten finden wir unsere Lebenslust,

online wird ungefragt geraten

für billigen Sonntagsbraten,

was der Produzent duldsam akzeptiert,

weil ihn ansonsten die EU liquidiert.

Der Bauer sucht immer noch eine Frau, erntet aber nur Frust.

Zur desolaten Landwirtschaft die Menschen schweigen!

 

Locken, schocken, rocken –

wer was zu sagen hat, muss bloggen!

Unterhaltsam bis gewaltsam bekommt jeder Kunde

seinen gewünschten Kram.

Folgt er den Geschichten,

kann er seinen Freunden davon berichten.

Auf diese wertvolle Information wartet die Twitter-Runde

schon,

das pulverisiert die Massen, sie legen das Netz lahm.

 

Sind die Drähte so richtig heiß,

wird gefeilscht um jeden Preis.

Ist der Hunger gestillt,

wird bereits der nächste Hit virtuos abgefüllt.

 

Werbung ist per se nicht pervers!

Wird sie initiiert mit einem erlesenen Vers,

vortrefflich gehoben mit einem exzellenten Slogan,

inszeniert über ein brillantes Bild,

das hält,

was es verspricht,

anderenfalls ein Märchenschloss schneller als gedacht

über Nacht zusammenbricht.

 

Manche Werbeaktionen sind wohl entstanden im Rausch,

mutmaßlich wurden Zielgruppen mit Schubladen vertauscht.

Die Gummi-Kampagne wirkt geschmacklos, wie

eine ominös deklarierte Lasagne der Lebensmittelindustrie!

 

Für flexiblen Sex wird geworben auf großen Flächen,

so kann sich jede Generation entsprechend rächen:

»Ich will’s unartig! Mach’s, aber mach’s mit …« — mit Kondom! 

›Artig‹ wäre mir auch zu fad,

er könnte sein, der junge Mann auf dem Plakat — mein Sohn!

Artig — möchte ich meinen,

ist ohnehin niemand mehr auf den Beinen!

»Wild, ehrlich, soft, gemütlich, reif, ernsthaft und klassisch«

darf der Sex heute laut Kampagne sein!

Mit ›unehrlich‹ wäre wahrscheinlich die Prostitution gemeint.

Die ›klassische‹ Variante steht in der einschlägigen Literatur,

die ›wilde‹ entnehme ich der animalischen Natur.

Über sexuelle Ausführungsmöglichkeiten

will doch niemand wirklich streiten,

schließlich soll Sex ›reife‹ Gemütlichkeit verbreiten.

 

Bezeichnend ist diese ganze Aktion insoweit —

sie ist von der Liebe befreit!

So schließt sich, wie immer, der Kreis!

Hat Liebe ihren Preis?

Sie wird in der Kampagne nicht erwähnt,

damit sind Liebe und Sex wahrhaftig getrennt.

Natürlich haben beide Genüsse ihren eigenen Reiz!

Freude zeigt sich nicht im Geiz,

so wie ein Slogan das ›blöderweise‹ schon versprach.

Liebe und Werbung gehören zusammen — 

davor und danach!

Sie wurde vergessen,

der Gummi aber, hat hoffentlich gesessen?

 

Die Aufklärung hat die Werbebranche übernommen,

im Kinderzimmer ist sie nie angekommen.

Würden wir das Wesentliche beizeiten erfahren,

könnte wir uns Verhängnisvolles ersparen.

 

Noch eine aussichtslose Impression

sei erwähnt an dieser Stelle — zur Abschreckung dient diese Mission:

Das DRK

stellt Menschen mit Händen in Hosentaschen dar.

So will es für das Ehrenamt werben — 

die Bedürftigen werden wohl eher sterben!

 

Werbung steckt uns in den Genen,

weil wir nach Ausdruck uns sehnen.

Jedes Gesicht zeigt,

was der Mund verschweigt.

Jeder ist Konsument,

an jedem Ort und zu jeder Zeit.

Jeder nutzt eine Quelle,

zeichnet eine Spur mit jeder Zelle —

setzen wir mit Bedacht unser Engagement?

 

Wenn Mensch und Unternehmen sich ›selbst‹ als Marke begreifen,

mit und durch Authentizität reifen,

dann muss sich die Werbebranche neu erfinden —

Mensch und Umwelt können dadurch nur gewinnen!