Werbung — die Kunst der Verführung


12. Oktober 2011

 

Harriet Modler

Wer möchte nicht gern verführt werden? Allerhand Sehnsüchte wandern durch die Tiefen unserer Seelen und warten auf Erfüllung. Fabelhafte Reisen rund um den Globus; ein erstklassiges Auto, das uns möglichst komfortabel von A nach B chauffiert; ein Partner, der uns wirklich versteht und Glück, das gleich auf ewig gepachtet werden will. Ohne Wünsche wären das Leben und die Welt ziemlich fade. Der Mensch folgt im Idealfall seinen Bedürfnissen und Wünschen. Grund genug, dieses Terrain mit der Lupe zu betrachten:

 

Derzeit sind rund 520.000 Menschen in Deutschland aktiv, um Ihre Kaufentscheidungen zu beeinflussen. Der Umsatz der Werbebranche blieb in den letzten drei Jahren, trotz Krisen, nahezu konstant um ca. 30 Mrd. Euro. Diese Zahlen verdeutlichen, dass Werbung ein integraler Bestandteil im Wirtschaftsgefüge ist und sie übernimmt darüber hinaus eine Art ›Vermittlerrolle‹. Die hohe Produktvielfalt und das wachsende Dienstleistungsangebot werden auch weiterhin für stabile Umsätze sorgen. Doch in der bunten Welt der Bilder und punktgenauer Sprache wachsen die Ansprüche hinsichtlich Originalität ständig. Selbst wenn Sie sich bisher dezent aus der Materie heraushalten konnten und Ihr Konzept trotzdem funktioniert, dann haben Sie entweder ein Alleinstellungsmerkmal in Ihrem Segment oder Sie profitieren vom Empfehlungsmarketing. Glückwunsch, denn das ist kein Selbstläufer!

 

Keine Werbung — keine Kunden!?

 

Es unerheblich, ob Sie sich mit Werbung arrangieren können, wie Sie grundsätzlich dazu stehen, sich ihr zu entziehen ist kaum möglich, ausgenommen Sie befinden sich im Wald. Allerdings auch dort kann es Ihnen passieren, dass ein nach neusten Standards ausgestatteter Jogger Ihren Weg kreuzt, der Sie entweder genervt oder amüsiert an Ihre letzte körperliche Aktivität erinnert, die oftmals viel zu lange zurückliegt.

 

Werbung ist ein Teil unserer Kultur. Sie ist Kunst, ein zeitgemäßer Ausdruck unseres Lebensgefühls. Und sie äußert sich auch in alltäglichen Kleinigkeiten. Wenn Ihr Partner oder Ihre Partnerin sich bei Ihnen einschmeichelt, um Sie ›Dinge‹ tun zu lassen, die Sie eigentlich gar nicht angedacht haben, dann sprechen wir von Werbung. ›Brautwerbung‹ ist selbst in der politischen Szene legitim. Die ›Ehe‹ wird in der Politik gern in Koalitionsverhandlungen benutzt, weil sie analog für eine partnerschaftliche Beziehung steht. Die Ehe repräsentiert eine ganz einfache Logik, die jeder kennt. Deshalb wissen Singles meist genau, was sie vermissen: Kommunikation, Freude, Austausch, Sex oder Liebe und das Gefühl, ein Teil einer Gemeinschaft zu sein. Dagegen entscheiden sich bewusste Singles entweder für eine Vermeidungsstrategie oder sie verfolgen den Weg der Selbstbestimmung ohne Abhängigkeit. Sie halten beide Modelle nicht für vereinbar.

 

Werbung wirkt immer, aber nicht immer erfolgreich! Treffen unter Bekannten bieten gute Tests, die Ihnen signalisieren, ob Sie über Zeitgeist verfügen. Tragen Sie Armani oder lieber Ella X? Zeigen Sie offensiv Marke, dann werden Sie entweder er- oder verkannt. Ihr Gegenüber weiß Sie ›einzuordnen‹ und er scannt Sie auf seine Weise. Ob er auch auf Armani steht, wissen Sie nicht. Vielleicht weiß Ihr Kommunikationspartner dadurch mehr über Sie, als Sie über ihn. Denn Werbung ist mehr als das, was plakativ präsentiert und wahrgenommen wird.

 

Werbung wird zunehmend subtiler und aggressiver, was je nach Branche und Zielgruppe variiert. Humor wird eher selten integriert, weil er Missverständnissen führen kann. Deshalb ist die klare Aussage in der Werbung von so immenser Wichtigkeit. Dennoch gibt es einen Aspekt, der unschlagbar ist: die Qualität! Der erste deutsche Bundespräsident, Theodor Heuss (1884-1963), drückte es faszinierend lebensnah aus: „Qualität, das ist auch das Menschliche.“ Sie ist das Streben nach Entwicklung und das Gegenteil von Verschwendung! „Hohe Qualität kostet oft wenig.“, so interpretiert der Unternehmensberater Hermann Simon seine Erfahrungen, denn er sieht die Qualität vorrangig als Marketinginstrument.

 

Ein ganzheitliches Konzept ist in der Werbung unerlässlich. Ob Selbstständiger, Klein- oder Großunternehmer — wer es versteht, seinen Produkten und Leistungen einen Wert zu geben, wird seine Kunden finden. Allzu oft sehe ich auch bei Organisationen, Vereinen, Verbänden und Parteien sinnentleerte Präsentationen, die keine wirklichen Inhalte vermitteln. Werbung ist Kommunikation auf allen Ebenen! Deshalb folgen wir ihr oder eben nicht!

 

Werbung: Konservativ oder kokett?

 

Welche Kategorie der Werbung würden Sie favorisieren: Klassisch oder knallig? Sie meinen jetzt sicher, ganz gleich wie, Hauptsache erfolgreich. Richtig, so sehe ich das auch. Wenn die Formel für gelungene Werbung patentierbar wäre, wo finden wir das Unerwartete, die Überraschende, das Spiel mit den Möglichkeiten und schließlich jegliche Entwicklung. Selbst der Kunde möchte gern wieder neu entdeckt werden. Die Chance hat er verdient.

 

Zur klassischen Variante fällt mir spontan ein Slogan aus alten Zeiten ein: „Da weiß man, was man hat.“ Das klingt schon fast furchterregend banal, aber die Marke hat nie an Attraktivität verloren — bis heute ist Persil eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Werner Buttler (1933-2009) ist der Vater dieses Slogans aus den 70-iger Jahren und er war einer der besten seiner Zunft. Nicht nur weiße Wäsche verspricht die Werbebotschaft, überdies werden eindeutige Zuständigkeiten vermittelt. Bis heute wird am Idealbild der Frau als gute Fee im Haus festgehalten, auch wenn ihr so mancher Mann die Bedienung der Waschmaschine nur bedingt zutraut.

 

Ein ähnlich eindrucksvolles Meisterwerk, unkonventionell und passend zum neuen Werbe-Zeitalter, ist beispiellos und kaum zu toppen: Sehr deutlich wird suggeriert, dass Sie ›schlau‹ sind, wenn Sie eine bestimmte Elektronik-Kette bevorzugen. Die Wahl der Sprache — bezogen auf die Zielgruppe — ist demonstrativ geradlinig, verblüffend unmissverständlich und taktisch vorzüglich terminiert. Während diese Manipulation eine nahezu furchterregende Massenhysterie ausgelöst hat, die Generationen von Menschen prägt, so ist dennoch anzuerkennen, dass das exemplarisch für eine perfekte Kampagne steht.

 

Mit Einfachheit zur Wirksamkeit

 

Einfache Ideen müssen ungewöhnlich umgesetzt werden, außergewöhnliche Konzepte dagegen schlicht. Was ist unerlässlich, damit von guter Werbung gesprochen werden kann, die ihren Namen wirklich verdient? Aufmerksamkeit! Der Schlüssel heißt ›einfach‹ Aufmerksamkeit. Menschen, die aufmerksam sind, tun das was sie tun, überwältigend intensiv. Das trennt nicht nur in der Werbung und im Marketing die Spreu vom Weizen.

 

Sie sind immer auf der Jagd nach der ultimativen Idee, einer mitreißenden Botschaft und positionieren Marken: Werbeprofis und Marketingexperten müssen heute wahre Multitalente sein. Zeitgeist, Kreativität und ein ästhetisches Feingefühl reichen längst nicht mehr aus. Ein Werbeprofi ist heute Verhaltenspsychologe, Zielgruppenforscher und Marktbeobachter in einer Person. Er denkt analytisch, die wichtigste Voraussetzung, um eine Kampagne zielgenau und erfolgreich zu platzieren. Schnörkellos, direkt, einfach, präzise, anschaulich — über diese Eigenschaften sinniert ein Werbeprofi im Prozess der Ideenfindung.

 

Mengenlehre in der Werbung: Masse oder Klasse?

 

Schneller, höher, weiter — der sportliche Wettbewerb ist auf das Geschäftsleben übertragbar. Ob dieser Anspruch in einer Welt begrenzter Ressourcen als ein erstrebenswertes Rezept und zur Heilung aller Wunden beitragen kann, ist fraglich. Für mehr Umsatz und steigende Gewinne reicht es nicht, die eine oder andere Trickkiste zu öffnen. Das darwinsche Prinzip besagt, dass nur die Stärkeren überleben. Und es gibt Menschen, die behaupten, dass die Langsamen Längen vor dem Ziel überholt werden. Naturgesetze möchte ich nicht infrage stellen, wenngleich Illusionen, hinsichtlich der Gesetze des Marktes, für viel Verwirrung und Desorientierung sorgen, zumal blinder Aktionismus teuer werden kann. Zeit ist relativ, das Erbe Einsteins, kann durchaus hilfreich sein, wenn geplante Vorhaben, Ideen, Projekte gewinnbringend umgesetzt werden wollen. Die Frage ist: Was kann wie dazu beitragen, dass die Gewinnzone schnellst möglich erreicht wird. 

Welche komplexen Mechanismen sind zu beachten und wie hoch ist der Einsatz? Entscheiden Sie, wohin Sie wollen! Damit sind wir wieder bei der Relativität und bei einer weiteren Erkenntnis: Jede Werbeaktion ist ein individueller Prozess, insoweit Sie an Originalen interessiert sind und nicht an Kopien!

 

Diese Gedankenkette mit Input in Sachen Werbung, sollte Sie ein wenig unterhalten — keinesfalls ist damit die Thematik im Ganzen erfasst. Bei nächster Gelegenheit gern mehr!

 

Zum Abschluss ein Zitat, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

 

„Teile dein Wissen. Das ist der Weg Unsterblichkeit zu erlangen.“ Tenzin Gyatso, seine Heiligkeit der XIV. Dalai Lama, *1935,

 

denn wer weiß heute, wann wir uns begegnen!