17. März 2011
Harriet Modler
Abgeschrieben hat er und dabei versehentlich die Zitierfunktion vergessen. Das kann schon mal passieren, wenn es hektisch und die Zeit knapp ist. Der zeitlose Bürger kennt die Not aus eigener Erfahrung. Verständnisvoll zeigen sich mehr als 500.000 Fans einer bekannten Internet-Community und sie trauern offen um ihren ›Politik-Star‹, der in seiner eloquenten Art die bundespolitische Gemeinde in Sachen Beliebtheit hinter sich vereinigt.
Diesen ersten Platz auf der Skala hatte die Kanzlerin bis dato gebucht. Der sogenannte Kanzlerbonus war ihr immer sicher. Bis ein bayrischer Freiherr die Bühne betrat und breitenwirksam mit lustvollen Inszenierungen zu imponieren begann. Film-Reifeprüfung bestanden! Filmproduzenten werden schon Drehbücher in Auftrag gegeben haben. Dank freundlicher Unterstützung des wichtigsten meinungsprägenden Medien-Giganten gelang ihm dieser fulminante Aufstieg und er hätte es auch fast geschafft sich aus der Affäre zu ziehen, aber eben nur fast.
Hätten sich nicht plötzlich besinnende Wissenschaftler, Akademiker und Doktoranden zusammengefunden, die an ihr geistiges Gut und Erbe glaubend — um ihren Status bangend — sich den Vermutungen und Verlautbarungen zweifelnder Normalos schon unfreiwillig ausgesetzt sahen.
Allerorts ist viel geschrieben worden in diesen Tagen. Im Februar 2011 war das Thema Nr. 1 in Deutschland: Eine Doktorarbeit! Soweit hat es die Wissenschaft endlich gebracht — das ist die einzige einfallsreiche Leistung des ahnungslosen, aber stilsicher agierenden, Freiherrn von und zu BILD. Ohne Zweifel werden Dissertationen in diesem Land geschrieben, die aus wissenschaftlicher Sicht substantiell geeignet sind, dass ihr Inhalt öffentlich wird. Aber so interessant wie informativ ist bestenfalls geistiges Eigentum nur, wenn der vermeintliche Urheber sich als Dieb und schlechter ›Handwerker‹ verdient und fremde Trauben erntet. Nun bemerkt — sicher ohne Auftrag und Absicht und rein zufällig — ein wahrscheinlich von noch höherer Instanz beauftragter Sommelier eine Reihe von Geschmacklosigkeiten in dem einst mit summa cum laude geadelten Wein.
Frau Merkel verhält sich in diesen Tagen, so wie sie es immer pflegt, sparsam moderierend; sie bescheinigt dem Jung-Star gewiss noch ein wenig Rückendeckung, wissend, dass sie sich bald ihrem Kontrahenten entledigen kann. Jetzt führt die Madam die Liste wieder an! Jede Personalabteilung kann von ihr lernen: So wie sie ihre Minister ›einstellt‹ und nach Befinden weitervermittelt, das nötigt selbst jedem Schauspieler Respekt ab.
Was geschah in dieser beispiellosen Zeit noch? In Afghanistan sterben drei Bundeswehrsoldaten, vier werden schwer verletzt. Das wollte Guttenberg bei seinem Rücktritt noch gesagt wissen, weswegen er u.a. erst am 01.03.2011 seine Konsequenzen zog. Etwas scheinheilig wirkt der Teil seiner Rede zum Abschied schon, denn gerade er hätte den Fokus sofort auf die getöteten Soldaten lenken können. In den Medien jedenfalls waren die Toten am Hindukusch durchgängig nur Füllmasse — bestenfalls eine Randnotiz. Die Aufregung hält sich in Grenzen, mangels Masse!!!
Erst der Schall und zum Abschied erntet er auf Wunsch von der Truppe den musikalischen Rauch — das passt zu dem Strohfeuer, das er entfalten konnte. Ob die Zeremonie eines geistigen Diebes angemessen ist, möge durch die Vernunft der Wähler entschieden werden, denn die Politik kann das nicht leisten.