Respekt, Herr Deppendorf


23. August 2011

 

Harriet Modler

Die Kommunisten sind Ihnen suspekt. Kommunisten — nur sie ALLEIN stehen für die Grundübel unserer Zeit. Sie und der Rest dieser Welt weiß, jene Utopie wird ewig illusionär bleiben. Wozu die Aufregung und Verachtung gegenüber Andersdenkenden? Ob Sie Das Kapital gelesen und bestenfalls verstanden haben, ist eher unwahrscheinlich. Seither, so viel ist sicher, haben die Prognosen von Marx (fast) jeden Skeptiker in Grenzbereiche geführt. Lassen Sie sich auch weiterhin nicht beirren und halten fest an Ihren Überzeugungen, denn Halbwissen hat sich gesellschaftsfähig etabliert.

 

Sind wir heute weiser, als damals zurzeit der Industrialisierung? Inzwischen sind wir kriegs- und krisenerfahren und lernen dennoch meist nur unwesentlich dazu. Am wenigsten wissen wir beispielsweise vom Anstand, dem ›Ding‹, das menschliches Miteinander zunächst ermöglicht, bevor daraus etwas (er)wachsen kann, geistiges Wachstum inbegriffen.

 

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat u.a. einen Bildungsauftrag und sollte unabhängig agieren, deswegen zahlen Bürger Gebühren. Das ist jetzt weder gut noch schlecht, denn Inhalt und Verpackung weisen selten Gemeinsamkeiten auf. Das ist wie im realen Leben! Und da geht es schon mal richtig zur Sache, denn Kommunikation ist heute nichts mehr für Anfänger. Unsinniges Gebrabbel und eine miese Gesprächskultur kennen wir nicht nur vom Gartenzaun — diese Anomalien vermeintlicher Konversation, sind vermehrt auch im Fernsehen zu beobachten: Der letzte Akt des politischen Sommertheaters 2011 in der ARD war so ein Angebot an Stillosigkeit. Vom Gespenst des Kommunismus bis Fidel Castro, und wer interessiert sich für Grußkarten — außer Ihnen? Wenn Sie ferner Ihrem Interviewpartner schon ständig ins Wort fallen müssen, dann überlegen Sie sich doch bitte vorher, wie Sie das intelligent formulieren könnten. Die Absurdität ernährt sich von banalen Geistern und deren Wahnvorstellungen. Der ewigen Kommunismus-Thematik bedienen sich nur Menschen, denen schlichtweg die Argumente ausgehen.

 

Ebenso interessiert uns Zuschauern weniger Ihre politische Position; wir erwarten Antworten auf die Fragen der Zeit. Dazu hatte Gysi allerdings keine Gelegenheit. Ihnen und Ihrem Kollegen Becker sei der Knigge wärmstens empfohlen, in dem sicher auch steht, dass ausgestreckte Finger nicht auf Menschen zu richten sind. Das habe ich im realen Sozialismus schon als kleines Mädchen gelernt. Anderen Menschen Respekt zu erweisen, ist ein höchst individueller Anspruch und keine Frage gesellschaftlicher Klassifizierungen!